Netzpolitik.org fragt: Wie kann sich Onlinejournalismus finanzieren?

Gestern hatte Netzpolitik.org eine Kampagne zur Crowdfinanzierung gestartet um die aktuellen Verluste von rund 4.000 € im Monat auszugleichen. Damit haben sich Beckedeahl und Co. neben Unterstüzung aber auch eine Debatte über die Finanzierung von Blogs eingehandelt. In einem Nachfolgeartikel zählt Beckedahl nun auf welche Alternativen das Blog hat um für Mehreinnahmen zu sorgen, darunter sind einige spannende Ideen und Formate, jeweils aufgelistet mit Vor- und Nachteilen. Spannend auf jeden Fall auch für andere Medieninstitutionen die nach einer Refinanzierungsquelle suchen.

Flattr-News: Twitter geht, YOUTUBE kommt!

Flattr hat heute gleich zwei Ankündigungen zu ihrem frisch relaunchten Service:

Twitter kickt Flattr aus der API

Einmal müssen sie die Verbindung zu Twitter kappen, die es erlaubte, dass jeder favorisierte Tweet automatisch einen Flattr-Klick bekam. Twitter beschwert sich, dass das nicht in Einklang mit ihren API-Regeln sind. Twitter hat bekanntermaßen die Regeln für ihre API in letzter Zeit immer weiter verschärft und sich immer weiter von Drittanbietern abgeschottet. Nun trifft es auch Flattr.

Für Flattr ist das wohl ein herber Rückschlag in ihrer neuen Strategie, darf man doch annehmen, dass geraude über die einfache “fav”-Funktion eine Menge der Flattr-Klicks verteilt wurden. Und Twitter war das prominenteste Netzwerk in ihrem neuen Portfolio. Bis jetzt.

Youtube-Videos flattrn

Denn gleichzeitig kündigt Flattr an, dass man ab sofort auch Youtube-Videos flattrn kann. Die “Daumen nach oben”-Funktion auf Youtube wird jetzt, nachdem man sein Flattr-Konto mit Youtube verknüpft hat als Klick gezählt und dem Videocreator wird dann ein Euro-Cent-Betrag zugeteilt, sofern er denn auch bei Flattr ist.
Das ist sehr spannend, denn gerade die Integration mit Youtube wurde lange als kritisch gesehen und hier eröffnet man sich eine ganz neue Maße an Publikum und Kreativen die Inhalte erstellen und teilen und es mit Fans teilen, die sicher gerne etwas zurückgeben. Nun ist die Frage wie Flattr diese externe Funktion in die Youtube-Community hereintragen wird.

Flattr als Bezahllösung für Nachrichtenseiten

In ihrem Blog gibt flattr Tips, wie Nachrichtenseiten den Micropayment/donation Dienst als Bezahllösung einsetzen können. Sie präsentieren sich dabei als verbindender Dienst, bei dem Leute sich anmelden, ohne einen Account für jede einzelne Seite anlegen zu müssen und erklären Möglichkeiten wie auch Flattr, die eigentlich als freiwillige Micropaymentlösung daherkommen, als Gate in einer Paywall genutzt werden kann.

The “nag screen”
For sites that want to force people to pay but believe that it’s better to be a part of a payment system that works all over the web, Flattr can be used for that as well. By using Flattr in a nag screen you can find a the perfect balance between completely open and completely closed by asking your readers to flattr after reading one or many articles to forcing them to flattr before reading an article .

The wall
A full paywall, forcing people to flattr to read, isn’t something we recommend, we believe that it’s smarter to make let the payment be voluntary and have good arguments to why people should support the work they’ve consumed. But, if you really want a wall, you can absolutely use Flattr as the gate opener.

Selbstverständlich nennen sie immerwieder die taz als Vorbild, die recht erfolgreich auf frewilliges Bezahlen setzen.

Ein Nachteil auf den sie nicht eingehen ist, dass Flattr keine genauen Beträge garantieren kann. Denn schließlich ist der Flattr-Betrag ein Kuchen, der unter den einzelnen Klicks aufgeteilt wird. So kann ein Flattr-Klick mehrere Euro, aber auch nur wenige Centbruchteile groß sein, jenachdem wie groß der Kuchen war und in wieviele Stück er geteilt wird. Diese Rechenunsicherheit lässt wohl die meisten Verlage viele zögern auf flattr zu setzen. Vor allem, wenn flattr nur einer von mehreren Bezahlmöglichkeiten wäre, wäre ein Flattr-Klick wohl meist die günstigste Möglichkeit an den Content hinter der PayWall zu kommen.

Siehe auch: Neues Flattr: Der Like wird was Wert

Kommt eine Bezahlstrategie für SpiegelOnline?

Jetzt wo das Ausscheiden der beiden Spiegel-Chefredakteure offiziell ist scheint hier alles offen. Grund für den Raussschmiss sind “unterschiedlicher Auffassungen zur strategischen Ausrichtung“, dabei ging es vor allem um Bezahlinhalte. Print-Spigel Chef Georg Mascolo hatte diese vehement für die Online-Schwester gefordert, vor allem weil er glaubte, dass die Gratisstrategie dem gedruckten Titel schadet. Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur von Spiegel Online, war bislang allen Informationen nach gegen eine Bezahlschranke.

Nun schreibt Michael Hanfeld auf faz.net, dass hinter den Kulissen aber durchaus an der Entwicklung einer Bezahlstrategie gearbeitet wurde:

Über diesen Schritt sind die beiden Chefredakteure uneins – in der vergangenen Woche soll es darüber noch einmal zu einer hitzigen Auseinandersetzung gekommen sein. Konzepte für eine Bezahlstrategie gibt es, eine Arbeitsgruppe von sechs Redakteuren (drei Print, drei Online) hat sich intensiv mit dem Thema befasst, doch herrscht Dissens über die Frage, wie groß der Anteil des Online-Angebots sein soll, der kostenlos oder kostenpflichtig ist. Im Grundsatz scheinen sich alle einig – es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie.

Die Entscheidung darüber obliegt nun wohl erst recht dem Nachfolger, aber der Spiegel hat wohl eine Strategie in der Schublade.

Schwäbisches Tagblatt mit Pay-Per-Article

Während die meisten Verlage an einer Metered PayWall nach Vorbild der New York Times arbeiten hat das Schwäbische Tagblatt aus meiner Geburtsstadt Tübingen sich für ein anderes Modell entschieden: Anstatt ein digitales Abo abzuschließen bezahlt man über den Micropayment-Anbieter MilliPay für einzelne Artikel. 15 Cent will die Regionalzeitung für ausgewählte Stücke. So spannend der Ansatz ist, sehe ich doch einige Probleme:

  • Zum einen das klassische Problem beim Verkauf von Artikeln: Ich weiß vorher nicht, ob es sich lohnt, für diesen Artikel zu bezahlen. Ich klicke anhand der Überschrift drauf, aber ist genau das nun 15 Cent wert? Ein Startup, dass da abhilfe schaffen will ist PennyRead, die es möglich machen wollen, dass nur Absätze hinter einem Bezahlmechanismus liegen und man diese einfach per Klick freischalten kann. Nun kann man natürlich argumentieren, dass 15 Cent ein Betrag ist, über den man nicht lange nachdenket. Zumindest wenn der Bezahlprozess einfach ist.
  • Was uns zum nächsten Problem führt: Die Anmeldung muss man zugeben, geht relativ schnell: Eine Email-Adresse angeben und die Handynummer. Über einen SMS-Code wird das Konto freigeschaltet und freundlicher Weise schenkt mir das Tagblatt  gleich 1 Euro Startguthaben (also rund 6 Artikel), das heißt ich kann sofort weiterlesen. Will ich mein Konto aber aufladen gibt es dazu auf der Seite keine direkte Möglichkeit, ich werde zum Zahlungsanbieter millypay in die Kontoverwaltung weitergeleitet. Hier wäre eine tiefere Integration vielleicht wünschenswert, ich sehe auch auf der Tagblatt-Seite nicht, dass ich eingeloggt bin.
  • Aber auch auf der Seite von Millypay entdecke ich keine Option oder Button um mein Konto aufzuladen. Laut FAQ soll das über sofortüberweisung, Kreditkarte und Lastschriftverfahren möglich sein. Bei Sofortüberweisung schrecke ich immer zurpück, denn sofortüberweisung.de fordert einen auf den TAN direkt auf deren Seite einzugeben und das ist etwas wovon jede Bank abrät, wie schnell dann die Aufladung via Kredit- oder Lastschrift geht, konnte ich aus obengenannten Gründen nicht ausprobieren. Aber ist der Prozess schnell genug, wenn ich jetzt einen Artikel lesen will? Die Summe der Drittanbieter die integriert wird lässt mich zweifeln.
  • Das Tagblatt setzt dabei natürlich auf einen Art Prepaid Verfahren: Konto immer wieder auf laden und leerlesen. Die Frage ist wie schnell ich als Nutzer einschätzen kann wie viel ich da brauche? 5€ im Monat, 10? Sicher Erfahrungswerte und auch abhängig davon wie viele Inhalte das Tagblatt selbst für bezahlenswert hält.
  • Interessant ist, dass das MillyPay Guthaben theoretisch auch auf anderen Seiten benutzt werden können soll.

    Kann ich mit milliPay nur bei tagblatt.de und neckar-chronik.de bezahlen?
    Nein, milliPay bietet seine Dienstleistungen auch für Online-Inhalte anderer Anbieter an. Das Guthaben auf Ihrem milliPay-Konto können Sie auch bei anderen milliPay-Partnern nutzen.

    Wer genau diese Partner sind erfahre ich aber nicht. Auch MillyPay bietet keine Übersicht im Sinne von: Ihr Guthaben auf diesen Seiten Nutzen. Einer Pressemitteilung entnehme ich, dass man auch bei swiss-sport.tv damit bezahlen kann. Okay. Die Frage ist, ob millyPay noch weitere Partner gewinnen kann, so dass es für mich zur zentralen Anlaufstelle meines “Online-Lese-Guthabens” wird. Der Nordbayrische Kurier beispielsweise, der als weiterer Regionalverlag pay-per-Article eingeführt hat setzt auf eine eigene, direkte Lösung. Aber hier muss man in Zukunft noch mit anderen Gegnern rechnen, Springer zum Beispiel.

  • Aber natürlich muss man sich noch mal ins Gedächtnis rufen an wen sich das Bezahlangebot richtet: An die Leser und Abonnenten des Tagblatts aus der Region. Der bundesweite Zugriff auf die regionalen dürfte sich in Grenzen halten und insofern kann man als tagblatt.de das ganze entspannter anschauen, es gilt vor allem die Stammleser zu überzeugen.

Alles in allem ein spannender Versuch, denn insgesamt muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es noch wenig Erkenntnisse zur Akzeptanz von PaidContent gibt und jeder Verlag der hier etwas probiert und vor allem etwas anderes probiert trägt erstmal dazu bei neue zu gewinnen. Vorausgesetzt diese Erkenntnisse werden auch an einem Punkt mit der Branche geteilt.

Ist ein “dummes” Metered Model die schlauste Lösung?

Wenn die Verlage über eine Lösung für Bezahlmodelle im Onlinebereich nachdenken, schaut man meist auf die New York Times und ihr sogenanntes “Metered Model”. Das erlaubt es Lesern eine bestimmte Anzahl Artikel (meist 10/Monat) frei zu lesen, bevor sie gegen eine Bezahlschranke laufen. Und immerhin hat die New York Times damit Erfolg, schließlich nimmt sie inzwischen mehr über ihre Leser ein als durch die Anzeigenerlöse. Ob dieses System allerdings das “Beste” ist, hat sich noch nicht herausgestellt, zu jung sind die Erfahrungen, zu gering die Erkenntnisse, doch langsam kommen erste Verbesserungsvorschläge.

So kritisiert Matthew Mitchell, CEO des Zahlungsanbieters MediaPass das Metered Model als stumpfe Wette:

“What a meter does is give you 10 views free, and on the eleventh you’re asked to subscribe. That’s rolling the dice and gambling that the article I see on the eleventh view is the one I’m willing to pay for.”

Und Mathers, die Unternehmensberatung in den Usa, die mit fast alles Verlagen an ihren Bezahlmodellen mitgearbeitet hat und entsprechende Einsicht hat, sagt dass auch die NYT sich nicht stur an ihr Modell hält. So hatte sie zum Beispiel bei den letzten Katastrophen um Hurricane Sandy die PayWall ausgesetzt und laut Mathers tut sie das auch für ihr “Entertainment”-Ressort, vor allem im Herbst wenn es hier große Werbeangebote gibt.

So stellt Felix Simon für Reuters fest:”Their idea of “best practice” doesn’t rely much on meters at all.” und macht daraufhin Verbesserungsvorschläge, die vor allem darauf abzielen die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft der Leser mit einzubeziehen.

For instance, it’s often easier to persuade people to subscribe to sports content than to entertainment content, even as it’s easier to sell ads against entertainment content than it is against sports content. So it does make sense to keep entertainment free, and put some kind of paywall around sports.

Auch der Preis muss nicht fixiert sein, sondern kann die Leser in unterschiedlicher Höhe ansprechen:

You can set a relatively high official price, for instance, and then start showing various special offers to people whom you think might be willing to subscribe if you offer them a discount.

Das Ziel dabei ist klar: Die Leser überhaupt erst mal zu zahlenden Abonnenten machen, denn wie auch die Erfahrung aus dem Printgeschäft zeigt, sind Abonnenten recht Preisunelastisch, dass heißt die meisten bleiben auch bei steigenden Zahlungen dabei und kündigen ihr Abonnement, einmal abgeschlossen nicht so schnell.

Es bleibt also spannend, wer es schafft ein Modell umzusetzen, dass sich stärker am individuellen Leser orientiert, vielleicht auch dessen Interessen und seinen finanziellen Hintergrund mit einbezieht (Studentenabo), gleichzeitig wäre die Entwicklung eines solchen Modells noch teurer. Man könnte aber auch sagen, während die deutschen Verlage noch dabei sind sich aufzustellen, wird der Puk schon wieder weiter gespeilt.

PayWall ändern nichts am existenziellen Problem der Zeitungen

Paywalls, in other words, don’t alter the existential drama.

So, die erste Schlussfolgerung von Michael Wolff im Guardian über die Herausforderungen von Zeitungen im digitalen Geschäfts, die da wären: Verlust der jungen Zielgruppe, Verlust der Werbekunden und Konkurrenz mit unendlichem Anzeigenplatz. Das macht auch eine PayWall nicht besser, eher im Gegenteil.

Eine bessere Lösung fällt Wolff aber auch nicht ein und so ist sein Schluss irgendwo zwischen Resignation und Realitätverweigerung:

Curiously, it seems plausible to argue that, given the loyalty of many readers and the digital undermining of advertising income, many newspapers might have fared better having not become digital products. Certainly, all would have fared better if none had.

But the world is as it is.

Die PayWall erobert die Welt

Die NewYorkTimes mit einem Rundumblick, wo überall auf der Welt PayWalls und Online Abonnements eingeführt werden sollen.

Besonderer Fokus dabei auf der Ankündigung von “The Sun” und BILD, schließlich will hier nach den Qualitätsmedien die Gattung der Boulevardblätter bezahlt werden. Wobei die BILD wohl vor allem auf die erworbenen Fußballrechte setzt:

Bild plans to continue offering general news free; exclusive content, including the soccer clips, will require payment. The Sun says it has not yet decided on a charging mechanism.

Der Schlusssatz von Peter Hogenkamp, NZZ Digital Media, klingt aber eher ernüchternd:

“I’m glad we did it,” said Peter Hogenkamp, head of digital media at the NZZ Media Group, the paper’s publisher. “I have no bad feelings about it. But everyone in the business is overestimating pay wall revenues.”