Thomas Levermann über die Möglichkeit einer gemeinsamen PayWall der deutschen Verlage.
Dabei lies er in Sachen nähere Zukunft des Paid Content für Qualitätsjournalismus in Deutschland einige interessante Bemerkungen fallen. Danach arbeiten führende deutsche Zeitungsverlage an der Einführung einer gemeinsamen Paywall. Wie soll es auch anders sein unter der Führung der Axel Springer AG, die laut Steingart “einen zweistelligen Millionenbetrag” in die entsprechende Software-Entwicklung investiert habe.
Dabei fällt auch der Name Pianomedia, die mit PianoNational ein Modell für eine landesweite PayWall entwickelt haben.
Wer genau jetzt alles da mitspielt ist aber nicht bekannt, unter Quality Media hatten sich ja ZEIT, FAZ, SZ und Handelsblatt zusammengeschlossen, auch um gemeinsam an einer PayWall zu arbeiten.
Ich freue mich ja, wenn über neue Geschäftsmodelle für den Journalismus geschrieben wird. Aber was ich absolut kontraproduktiv finde, sind explizit autorenfeindliche Schlagworte wie “Content” und “Paywall”.
“Content” ist im heutigen Sprachgebrauch nichts weiter als die Herabwürdigung geistiger Leistung zum typografischen Grauwert, der den Raum zwischen den Anzeigen füllt und den SEOs Futter gibt. Content ist nun mal ein Begriff mit quantitativer Konnotation, altbekannt vom Flaschenaufdruck “Contents: 750 ml”. Wer wissen will, ob Wein oder Schorle, Saft oder Limoplörre drin ist, kommt nicht weiter, wenn er nach den Contents schaut.
Der vor der Web-Ära wenig gebräuchliche Singular (also Content ohne s) stand zwar früher auch für den Gehalt eines Textes, wird aber praktisch nur noch als Synonym für den Plural verwendet: Content ist das, was drin ist, aber den Medienökonomen ist völlig egal, was es ist; Hauptsache es ist etwas drin, das Traffic auf die Werbung zieht. (Die englische Sprache hält es da übrigens genau andersrum wie die deutsche: Uns sollte nicht der Inhalt interessieren, sondern die Inhalte.)
Der Begriff Paywall wiederum ist nicht nur ein Kampfbegriff der Piratenszene, er ist auch widersinnig. Niemand möchte Leser, Hörer und Zuschauer von den journalistischen oder künstlerischen Werken fernhalten, im Gegenteil: Man möchte die Leute quasi ins Kino locken. Die richtige Analogie wäre das Kassenhäuschen, also das Box Office, das für den erfolgreichen US-Heimkino-Anbieter HBO Pate stand (Home Box Office).
Steven Poole bringt es im New Statesman auf den Punkt:
“The term “pay wall” is designed as a rancour evoking sneer, as though one were expressing outrage that one had to pass through a “pay gate” to be allowed to take food out of a shop.”
http://www.newstatesman.com/print/sci-tech/internet/2012/12/jeff-jarvis-clay-shirky-jay-rosen-invasion-cyber-hustlers
Deutsche Fassung von Volker Rieck: “Die Bezeichnung „Pay Wall“ ist eine dieser hasserfüllten Verhöhnungen; niemand käme ernsthaft auf die Idee, die Kasse in einem Supermarkt als „Pay Gate“ zu diffamieren.”
By the way: Worte wie “abkassieren” würde ich auch vermeiden. Wir wollen doch journalistische Leistungen verkaufen, bieten also einen Gegenwert. Ein Abkassierer ist ein Abzocker, der Leute übers Ohr haut.
PayWall ist für mich ein summierender Fachbegriff, der verschiedene Modell im Markt zusammenfasst. Natürlich ist ein Branding als Bezahlschranke nicht unbedingt verkaufsfördernd und der Begriff Leserclubs könnte in manchen fällen passender oder besser sein (http://ploechinger.tumblr.com/post/35978765118/wieso-wir-leserclubs-brauchen), eine Verschwörungtheorie sehe ich dahinter bislang allerdings nicht. Ich stimme auch zu das Content häufig missbraucht wurde als Euphemismus. Aber ich sehe auch hier mehr einen Sammelbegriff für verschiedene Formen, sei es nun Text, Bild, Ton oder Video, denn Gottseidank umfasst Journalismus online längst nicht mehr nur reinen Text.
Letztlich ist es das alte Lied: Journalisten können sich nicht gut verkaufen. Wir müssen das aber lernen. Und dazu gehört, sich die Sprache nicht von Leuten aufzwingen zu lassen, die andere Interessen und eine andere Agenda haben. Ich bleibe dabei: Paywall heißt Leserabschreckung. Das Wort steht für eine Festungsmauer, die das Publikum fernhält.
Auf die Tür in der Mauer kommt es an, nicht auf die Mauer. Bis wir unser Publikum da haben, wo ein angesagter Club seines hat – die Menschen wollen unbedingt am Türsteher vorbei und Eintritt zahlen – haben wir noch einen langen Weg vor uns.
Da haben sie recht, um ein angesagter Club zuw erden ist das Wording/der Name aber nur ein Schritt, viel mehr kommt es auf das Publikum an das kommt und die DJs die auflegen, aber das überstrapaziert jetzt schon fast das Bild.
Die meisten Verlage kommunizieren ihre Bezahllösungen ja auch anders “Digitales Abonnement” etc.
Trotzdem hat sich “PayWall” und “PaidContent” in Fachkreisen wohl bereits durchgesetzt, deswegen benutze ich diese hier auch als Überbegriff, schließlich ist mein Zielpublikum vor allem die interessierten aus der Branche. Aber ich habe mir Ihr Feedback zu Herzen genommen und vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich in den neuen Beiträgen vemehrt Synonyme wie “Digitales Abo” einsetze.